freiwillige Gerichtsbarkeit

freiwillige Gerichtsbarkeit
freiwillige Gerichtsbarkeit,
 
Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit, für den es aber ein besonders geregeltes Verfahren zur Erledigung bestimmter, kraft Gesetzes zugewiesener Rechtsangelegenheiten meist privatrechtlicher Art gibt. Ursprünglich zählten zur freiwilligen Gerichtsbarkeit nur Angelegenheiten der Rechtsfürsorge (z. B. Vormundschafts-, Nachlass-, Register- und Beurkundungssachen). Heute sind ihr auch bestimmte Streitsachen des privaten und zum Teil des öffentlichen Rechts zugewiesen, wie Hausratsverteilung, Versorgungsausgleich im Zuge der Ehescheidung, Wohnungseigentumssachen und Landwirtschaftssachen, sodass eine Abgrenzung von gewöhnlichen Zivilprozesssachen nur nach der gesetzlichen Zuordnung möglich ist. Maßgebliches Verfahrensgesetz ist das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. 5. 1898, Abkürzung FGG; hinzu kommen zahlreiche Nebengesetze. Zuständig sind in 1. Instanz die Amtsgerichte, in Familiensachen als Familiengericht; freiwillige Gerichtsbarkeit ist aber auch die Amtstätigkeit des Notars. Im gerichtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit herrscht weitgehend Amtsbetrieb, es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 12 FGG). Die Verfahren werden teils von Amts wegen, teils auf Antrag eingeleitet; es gibt im Gegensatz zum Zivilprozess keine Parteien, sondern Beteiligte. Mündliche Verhandlung ist freigestellt; findet sie statt, ist sie nicht öffentlich. Ein Beweis kann von Amts wegen als Strengbeweis nach den Regeln der ZPO oder als Freibeweis erhoben werden. Entscheidungen ergehen durch Beschluss oder Verfügung und sind mit einfacher oder sofortiger Beschwerde anfechtbar (§§ 19, 22 FGG), gegebenenfalls mit weiterer Beschwerde (§ 27 FGG). Es bestehen erleichterte Möglichkeiten einer Abänderung getroffener Entscheidungen (§ 18 FGG) und Einschränkungen der Rechtskraft. Die Vollstreckung von Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist besonders geregelt (§ 33 FGG).
 
Hauptsächliche Rechtsquelle der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Österreich ist das Gesetz über das Verfahren außer Streitsachen von 1854, zuletzt novelliert 1992. In die Kompetenz des Außerstreitrichters oder Rechtspflegers fallen v. a. das Vormundschaftswesen, einvernehmliche Scheidung nach § 55 a Ehegesetz, die Führung von Grundbuch und Firmenbuch sowie Konkurs- und Ausgleichsverfahren. - In der Schweiz besteht nur für Teilgebiete eine einheitliche Regelung der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die meisten ihrer Aufgaben sind nicht den Gerichten, sondern Verwaltungsbehörden übertragen. Das Verfahren für die öffentliche Beurkundung von Rechtsgeschäften wird durch die Kantone bestimmt.

Universal-Lexikon. 2012.

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